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Beweise

BND schöpft österreichische Telekomdaten für NSA ab

Es ist ein Beweis mit Sprengkraft: Der Grüne Sicherheitssprecher Peter Pilz präsentierte am Freitag vor Journalisten eine E-Mail, die die Überwachung der Kommunikation in Österreich durch den BND im Auftrag der NSA erstmals belegt. Die E-Mail geht auf das Jahr 2005 zurück. Damals schrieb Harald Helfrich, Mitarbeiter der RESA, der Regionalstelle für staatliche Sonderauflagen in Frankfurt bei der Deutschen Telekom, eine E-Mail an den BND.

Daraus geht hervor, dass die Verbindung WienLuxemburg auf der Prioritätenliste der Strecken steht, deren Verbindungen von BND im Auftrag der NSA abgeschöpft werden. „Man kann davon ausgehen, dass BND und NSA in Österreich mitlesen. Das betrifft E-Mails, Telefongespräche, Internet, das betrifft praktisch alles“, erklärt Peter Pilz bei der Pressekonferenz in Wien. Helfrich sagte Anfang Jänner 2015 auch im NSA-Untersuchungsausschus des deutschen Bundestags aus.

So funktioniert die Abschöpfung

Dies passiert über einen sogenannten Splitter zur Ableitung von Lichtwellenkabel, die über den Knoten Frankfurt gehen. Die Datenströme werden nach Pullach in die BND-Zentrale überspielt und gehen dann weiter nach Bad Aibling. „Dort sitzen Angehörige des BND und der NSA und arbeiten an der Auswertung der Datenströme“, sagt Pilz. Helfrich sagte im U-Ausschuss in Deutschland folgendes dazu aus, wie die Übertragung der Daten technisch funktioniert hat: "Genau eine Leitung identifizieren, Verkehr mit technischer Einrichtung "T-Glied" abgezweigt und darauf Zugriff gegeben".

„Die NSA hat über Bad Aibling automatischen Zugriff auf die dorthin übermittelten Daten und kann sich über sogenannte Selektoren alles automatisiert rausholen, was sie interessiert. Bis zum Jahr 2013 ist die Zahl der Selektoren auf 8,7 Millionen angestiegen“, so Pilz.

Die Abschöpfung der Daten durch den BND erfolgte im Rahmen der Operation "Eikonal", die im Februar 2005 auf vollen Touren lief. "Das war der Beginn der Operation Eikonal. Dort haben wir Ausland-Ausland-Kommunikationsstrecken erfasst und diese nach unserem Auftragsprofil durchsucht", sagte der Leiter der Aktion Eikonal Ende 2014 im deutschen U-Ausschuss aus.

Prioritätenliste

Eine sogenannte „Prioritätenliste“, wie sie in der E-Mail aus dem Jahr 2005 erwähnt wird, war deshalb notwendig, weil die Schnittstelle in Frankfurt zu dem Zeitpunkt nicht leistungsfähig genug war, um damit alle Daten gleichermaßen abzusaugen. „Daher war auf einer Liste markiert, welche Transitstrecken prioritär zu behandeln sind“, erklärt Pilz. „Die NSA konnte auf diese Strecken dann zugreifen“, so der Nationalratsabgeordnete.

„Das ist der Beweis eines nachrichtendienstlichen Angriffes auf Millionen von Daten österreichischer Staatsbürger und des wichtigsten österreichischen Telekom-Unternehmens des Landes“, so der Abgeordnete. Wie vor zwei Monaten berichtet wurde in der Vergangenheit auch der Datenverkehr des Internetproviders UPC in Österreich mitgeschnitten.

Politische Sprengkraft

„Es ist ein Bruch des Fernmeldegeheimnisses. Das ist eine kriminelle Aktion der Deutschen Telekom AG im Verbund mit BND und NSA gegen Österreich. Wir werden das mit Sicherheit nicht so zur Kenntnis nehmen und werden notwendige rechtliche und politische Schritte beraten“, sagt Pilz. Tatsächlich ist dies eine E-Mail mit viel Sprengkraft.

„Wir erwarten uns eine schnelle Erklärung von der deutschen Bundeskanzlerin. Sie hat gesagt, dass Ausspähen unter Freunden gar nicht geht. Wir wollen wissen, ob sie uns nach wie vor als Freund betrachtet“, sagt Pilz, der nächste Woche in Berlin beim Bundestag die Affäre aufs Tapet bringen möchte.

Die Frage vom KURIER, ob die Abschöpfung der Daten über diese Kanäle jetzt noch aktiv sei, wollte Pilz nicht direkt beantworten: "Das wird mir hoffentlich die deutsche Kanzlerin Angela Merkel sagen. Tatsache ist, dass die NSA gerade in ganz Europa umbaut und ihre Einrichtungen verändert. Auch in Wien, wo Riesen-Projekte laufen. Aus Sicht der NSA muss alles neu abgeschirmt werden."

Was wusste die Telekom Austria?

Könnte die Telekom Austria etwas davon gewusst haben? Der Abgeordnete glaubt es nicht: "Die Telekom Austria merkt ja gar nichts davon. Eine Zustimmung kann ich mir nicht vorstellen, weil das wäre geschäftsschädigendes Verhalten ohne irgendeinen Vorteil. Das halte ich für ausgeschlossen."

Auf futurezone-Anfrage sagte die Pressesprecherin der Telekom Austria in einer ersten Reaktion, ob das Unternehmen vom Zugriff gewusst habe und Strafanzeige erstellen werde: "Sobald Datenverkehr am Knotenpunkt in ein anderes Netz übergeben wird, sind die Daten auch nicht mehr in unserem Einflussbereich. In unserem Netz gab es nach unserem Wissensstand keinen Zugriff. Wir werden uns das Thema aber nochmals auch rechtlich genauer ansehen."

Forderung nach BND-U-Ausschuss

Auf die Frage, was das Heeresnachrichtenamt (HNaA) von den Aktivitäten des BND wisse, sagte Pilz: "Es existiert ein geheimer Nicht-Regierungsvertrag zwischen HNaA und NSA. Da gibt es enge Zusammenarbeit mit BND, GCHQ, NSA. Dann gibt es einen Vertrag zwischen BVT und CIA. Da gibt es auch eine Zusammenarbeit mit dem BND. Ob es hier einen Rückfluss gegeben hat, versuche ich zu klären. Das wird im Parlament aufgeklärt werden müssen."

Pilz will deshalb „möglichst noch vor dem Sommer“ einen BND-Untersuchungsausschuss in Wien einsetzen - allerdings nur mit Unterstützung der beiden Großparteien SPÖ und ÖVP, wie er sagte. Dieser Forderung erteilten SPÖ-Klubchef Andreas Schieder und der ÖVP-Abgeordnete Werner Amon vergangene Woche, als der NSA-Kongress in Wien tagte, noch eine glatte Abfuhr. Am Freitag sagte Pilz dazu: "Die Chancen stehen gut, es gibt allgemein eine sehr hohe Bereitschaft, die Affäre aufzuklären", so Pilz.

Mehr als die Hälfte der rund 40.000 Suchbegriffe, die der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) aussortiert habe, seien aktiv geschaltet gewesen, berichtete das Magazin "Spiegel" am Freitag im Voraus aus seiner neuen Ausgabe.

Sie wurden demnach also tatsächlich zur Ausforschung von Behörden, Unternehmen und anderen Zielen in Europa - auch in Österreich - verwendet. In einem Testat an das Bundeskanzleramt hatte der BND dem Bericht zufolge Ende April nur über 12.000 sogenannte Selektoren informiert, die im August 2013 im „aktiven Profil“ der NSA entdeckt worden seien. Dass bei einer weiteren Suche zusätzlich 13.000 Selektoren in der 4,6 Millionen Suchbegriffe umfassenden NSA-Spionageliste gefunden worden seien, sei dem Papier nicht zu entnehmen. Erst Anfang Mai sei eine Rekonstruktion dazu gelungen, wie die 40.000er-Liste zustande gekommen sei.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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